Die Macht der Wut: Warum Frauen mit Essstörungen lernen müssen, ihre Wut zu fühlen, um zu heilen

Foto von Nsey Benajah

Eine der häufigsten Emotionen, die Frauen mit Essstörungen tief in sich tragen, ist Wut. Denn sie haben gelernt, dass es nicht gut ist wütend zu sein und seine Wut auszudrücken. Irgendwo muss diese starke Energie aber hin und so beginnen viele die Wut gegen sich selbst zu richten – durch Essanfälle, Hungern oder strikte Kontrolle über ihren Körper.

Was ist Wut eigentlich?

Wut wird oft als negative Emotion abgestempelt, dabei ist sie sehr mächtig. Sie ist eine Reaktion auf Frustration, Ungerechtigkeit oder Verletzungen und sie ist unglaublich wichtig, um sich von solchen Ereignissen abzugrenzen. Wenn du länger ungerecht behandelt und verletzt wirst und keine Wut spürst, kannst du dich nicht von dieser Situation abgrenzen und bleibst länger drin, als es dir gut tut.

Warum haben viel Frauen ein Problem mit ihr?

Gesellschaftliche Erwartungen und weibliche Sozialisation

Vor allem Mädchen wird immer wieder gesagt, dass sie lieb und nett sein sollen. Ein wütendes Mädchen ist zu laut. So geht es dann weiter im Teenageralter. Ein wütendes Teenager Mädchen ist übertrieben. Und eine wütende Frau ist zickig, unangemessen, unweiblich, einfach schwierig. Diese tief verankerte Botschaft führt dazu, dass Wut oft nicht offen ausgedrückt wird, sondern sich im Inneren anstaut.

Angst vor Ablehnung
Oft haben Frauen mit Essstörungen auch Angst, dass ihre Wut dazu führen könnte abgelehnt oder verlassen zu werden und damit das nicht passiert, tut man natürlich alles dafür, um nicht wütend zu werden. Wut ist aber so stark, dass sie sich irgendwann entladen muss und wenn das nicht nach Außen geht, dann passiert es nach Innen und es kommt zu Essanfällen, Erbrechen oder übermäßiger Selbstkontrolle.

Wut und Kontrollverlust
Essstörungen sind häufig ein Ausdruck von Kontrollbedürfnis. Wut hingegen fühlt sich oft wie der reinste Kontrollverlust an und das macht Angst. Entweder man versucht dieses Gefühl dann wegzuessen, da Essen kurzfristig beruhigend wirkt oder man benutzt die andere Vermeidungsstrategie - restriktiv zu essen, um das vermeintliche Gefühl von Kontrolle über den Körper zurückzubekommen.

Warum Wut so wichtig ist

Die eigene Wut wieder wahrzunehmen und zu fühlen, ist ein wichtiger Schlüsselmoment auf dem Weg aus der Essstörung, denn Wut zeigt dir, wo deine Bedürfnisse und Grenzen übergangen wurden und manchmal immer noch werden. Wut kann dich antreiben und eine unglaubliche Motivation sein Dinge im eigenen Leben zu verändern und je mehr man lernt Wut nicht länger zu unterdrücken und gegen sich zu richten, sondern sie zu fühlen und mit ihr umzugehen, desto größer wird das Selbstvertrauen und das Bewusstsein, dass man fähig ist Verantwortung für die eigenen Emotionen zu übernehmen. Und je besser man mit den eigenen Gefühlen umgehen kann, desto weniger braucht man Essen, um das auszugleichen.

Wie du wieder in Kontakt mit deiner Wut kommen kannst

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es Angst macht der Wut den Raum zu geben und sie wirklich da sein zu lassen. Viele Ängste kommen zum Vorschein, wenn man sie mal wirklich konfrontiert, aber es ist unglaublich wichtig, wenn du einen Schritt weitergehen willst in der Verbindung zu dir.

  1. Verbindung mit der Wut

    Erinnere dich an Situationen in deiner Vergangenheit und spüre in dir, wo du das Gefühl der Wut wahrnehmen kannst. Vielleicht spürst du erstmal Traurigkeit. Frage dich: Wenn ich mir die Situation jetzt anschaue, von weitem aus meiner Perspektive, wie hätte ich damals reagieren können? Wie fühlt es sich heute an über diese Situation nachzudenken?

  2. Wut körperlich ausdrücken
    Manchmal braucht Wut eine körperliche Entladung. Die bekannteste Technik ist ins Kissen zu schreien. Du kannst aber auch laut trampeln, springen, tanzen, schreien oder eine Boxübung. Durch die Bewegung deines Körpers kannst du die aufgestaute Energie aus dir rausleiten, ohne dass sie sich in einem Essanfällen entlädt.

  3. Schreibe über deine Wut (2 Varianten)
    Variante 1: Wenn es vergangene Situationen gibt, in der es Menschen gab, die dich ungerecht behandelt haben und es dich immer noch wütend macht, schreibe es auf und schreibe dir von der Person die dich verletzt hat einen Brief, in der sie sich entschuldigt. Es klingt komisch, aber den Brief zu lesen - auch, wenn du ihn geschrieben hast - löst etwas in dir aus, was dir hilft mit der Wut umzugehen.

    Variante 2: Wenn du nicht weißt, warum du wütend bist, schreibe genau das auf. Schreibe auf, wo du die Wut fühlst, wie es sich anfühlt nicht zu verstehen woher die Wut kommt und vielleicht erkennst du eine Situation, in der du dich schonmal so gefühlt hast

  4. Hole dir Hilfe
    Lass dich unterstützen. Egal ob in einem Coaching, in Therapie oder in Gesprächen mit Menschen, denen du vertraust. Lerne, deine Wut zu fühlen und sie auf respektvolle Weise zu kommunizieren. Dies hilft nicht nur dir, um deine Emotion zu verarbeiten, sondern kann auch deine Beziehungen verbessern.

Deine Wut ist ein Geschenk

Wut ist keine „böse“ oder „schlechte“ Emotion. Sie ist ein Teil unseres emotionalen Spektrums und so, so wichtig für den eigenen Selbstrespekt. Je besser du deine Wut fühlst und lenken kannst, desto mehr kann sie dir helfen deine Essstörung zu überwinden. Auf meinem Heilungsweg hatte ich so viele wütende Tage, die mir geholfen haben alte Wunden zu verarbeiten und ich habe immer mehr gelernt für mich einzustehen.

Wenn du das auch lernen möchtest und Unterstützung brauchst, dann schreib mir jederzeit an hallo@juliaschneble.com.

Es ist nicht immer leicht, aber es ist’s so wert.

Bis dahin alles Liebe

deine Julia

 

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