Warum der Satz “Iss wie vor deiner Essstörung” mir nicht geholfen hat

“Erinnere dich an die Zeit vor deiner Essstörung, wie hast du da gegessen?”

Diesen Satz hört man öfter und ich bin überzeugt, dass er manchen Menschen auf dem Weg raus aus der Essstörung helfen kann. Mir persönlich hat er das aber nie, denn ich kann mich an eine Zeit vor meiner Essstörung nicht mehr erinnern.

Meine Essstörung hatte angefangen, als ich 7 Jahre alt war. (Der Anfang meiner Essstörung) und als ich es nach 22 Jahren voller Binge-Eating, anorexischen Phasen und Bulimie dann endlich schaffte mich auf meinen Heilungsweg zu begeben, war der Tipp „Einfach wieder so zu essen, wie vor der Zeit der Essstörung.” für mich total sinnlos und zog mich jedes Mal extrem runter, da ich das Gefühl hatte der einzige Mensch zu sein, der sich nicht an sein ursprüngliches und intuitives Essverhalten erinnern könne und es daher auch nicht schaffen könnte je wieder frei zu essen.

Denn wie isst man einfach wieder, wie vor der Essstörung, wenn man seit seiner Kindheit ein gestörtes Essverhalten hatte?

Da ich mich bis heute nicht daran erinnern kann und irgendwann genug davon hatte, zu glauben, dass nur Menschen komplett intuitiv essen können, die sich an ihr Essverhalten vor der Essstörung erinnern, fand ich andere Wege um „einfach wieder wie vor her Essstörung zu essen“.

Was mir dabei geholfen hat

  1. Zuerst beobachtete ich meine Freundinnen, die ein gutes Verhältnis zu ihrem Körper und Essverhalten haben. Ich sah, wie sie einen Halb vollen Teller einfach stehen lassen konnten, mit der Begründung, dass sie satt seien. Ich sah, wie sie eventuell eine halbe Stunde später einen Keks aßen und dann vielleicht 2 Stunden später einen Apfel. Diese Beobachtungen halfen mir extrem davon abzukommen, dass ich nur zu bestimmten Zeiten essen darf und nur bestimmte Mengen.

  2. Ich stellte mir die Frage: Wie würde ich mich verhalten, wenn ich einen gesunden Umgang mit dem Essen hätte?

  3. Ich übte.

  • Ich übte den Geschmack des Essens wieder wirklich wahrzunehmen, indem ich sehr aufmerksam und ohne Ablenkung aß.

  • Ich übte, wie es sich anfühlt satt zu sein, indem ich während des Essens immer wieder Pausen machte, auch mal aufstand, immer wieder reinspürte und meinen Körper mehr und mehr wahrnahm.

  • Ich übte, wie es sich anfühlt Hunger zu bekommen, indem ich anfing auf die verschiedenen Körpersignale achtete, die mein Körper mir schickte, wenn ich seit 2,3 oder 4 Stunden nichts gegessen hatte.

  • Ich übte zu erkennen auf welches Essen ich wirklich Lust hatte, indem ich jedes Mal, wenn mein Körper etwas essen wollte wirklich etwas aß.

Ich übte und stolperte dabei sehr viele Male.

Vor allem am Anfang war ich oft frustriert, weil ich einfach kein Hunger- und Sättigungsgefühl spürte, weil mir das achtsam Essen oft langweilig vorkam und weil ich einfach nicht unterscheiden konnte, ob ich jetzt eine Banane, Schokolade oder ein Stück Brot wollte.

(Oft bemerkte ich dann was ich wollte, wenn ich einfach begann etwas zu essen).

Es hat ein bisschen gedauert und je mehr ich übte, desto besser klappte es und ich spürte immer besser was mein Körper gerade braucht.

Als ich dann auch noch die Ausbildung zu Mindful Eating Praktikerin machte, verstand ich viele Zusammenhänge auch noch besser. Heute unterstütze ich Menschen bei ihrem Weg raus aus der Essstörung, weiß was helfen kann sich mit dem eigenen Körper wieder zu verbinden und auf seine Signale zu hören.

Falls auch du Unterstützung möchtest, melde dich gerne jederzeit bei mir.

Bis dahin alles Liebe,

deine Julia

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