Warum die Wahrnehmung meines Körpers durch andere zählt und wie es mich beeinflusst

O Gott, was werden nur die anderen von meiner Zunahme denken!

Diese Angst, war eine der größten, nachdem ich über 20 Kilo zugenommen hatte. Vor Corona war ich unglaublich schlank – dass der Grund für dieses Schlanksein eine Essstörung war, wussten nur die wenigstens. Die Menschen kannten mich als die große und schlanke Julia aus Deutschland. Dann kam Corona 2020 und der erste große Lock down und ich bekam die Chance mir wirklich die Zeit zu nehmen, um zu heilen.

Zeit, mich auf mich und meinen Körper zu konzentrieren und ein gesundes Körperbewusstsein und Selbstbild zu entwickeln. Diese Heilung beinhaltete eine Zunahme von 25 Kilo.

Wir schreiben das Jahr 2021

In Italien trauten sich die Menschen wieder auf die Straßen und langsam begannen auch wieder die Märkte und Geschäfte zu öffnen und nach über 1 ½ Jahren traf ich auf Menschen, die keine Ahnung hatten, welche enorme psychische Veränderung in mir geschehen war. Was sie aber merkten, war meine physische Veränderung und das ließen sie mich auch umgehend wissen.

Ich kann nicht zählen wie oft ich freudig strahlend gefragt wurde, ob ich schwanger wäre oder ob ich geheiratet hätte und daher so zugelegt hätte. (was auch immer eine Heirat mit Körpergewicht zu tun haben soll… ich habe es bis heute nicht herausgefunden).

Ich hatte panische Angst nach draußen zu gehen. Ich wollte niemandem mehr die Möglichkeit geben mich mit solchen Kommentaren zu verletzten. Jedes Mal, wenn ich meine Wohnung verließ, hatte ich ein ungutes Gefühl im Bauch und achtete darauf niemandem zu begegnen, der/die mich kannte.

Nichtsdestotrotz wollte ich nicht dorthin, wo ich hergekommen war. Ich wusste, was mein Ziel ist, ein gesunder Umgang mit mir und meinem Körper und ich begann mich mit meiner Angst auseinanderzusetzten.

Ich fragte mich:

• Warum habe ich so Angst vor dem, was andere Menschen über meinen Körper denken?

• Vor was will mich diese Angst beschützen?

• Vor welchen Menschen genau, habe ich Angst verurteilt zu werden?

• Sind diese Menschen wichtig für mein Überleben?

• Sind mir diese Menschen generell wichtig IN meinem Leben?

• Und kann ich eigentlich zu 100% Sicherheit wissen, was diese Menschen denken?

• Ich bin ja eigentlich nicht in ihrem Kopf…

• Und wie verhalte ich mich auf Grund dieser Angst?

• Und wie würde ich mich verhalten, wenn ich diese Angst nicht hätte und es mir stattdessen egal wäre, was andere Menschen über mich und meinen Körper denken?

Ich verstand, dass mich die Angst beschützen wollte, nicht abgelehnt und ausgeschlossen zu werden und gleichzeitig merkte ich auch, dass ich diese Angst nicht bei meinen engsten Freunden und Freundinnen spürte, sondern vor allem bei flüchtigen Bekannten, Marktverkäufern, früheren Kollegen oder Männern, die ich mal gedatet hatte, also Menschen, die mich eigentlich gar nicht richtig kannten und die gar nicht richtig in mein Leben involviert waren.

Menschen, die nicht wussten, welch enormen Prozess und wichtiges Wachstum ich in den letzten Monaten erlebt hatte.

Menschen, die nicht wussten, wie stark ich mich selbst reflektiert hatte und wie unglaublich mutig ich gewesen war all die Schritte zu gehen, die ich gegangen war, damit es mir endlich gut ging.

Menschen, die mir eigentlich auch völlig egal waren, da sie nichts mit meinem jetzigen Leben zu tun hatten.

Menschen, die vielleicht selbst nicht über ihr Verhalten reflektierten und daher auch so doofe Kommentare losließen.

 Was half mir noch in dieser Zeit?

• Ich ließ mich coachen

• Ich beobachtete mein Verhalten und das der anderen Menschen und eine der interessantesten Beobachtungen, die ich in dieser Zeit machte, war:

  Wenn ich mich den Angstgedanken hingab, verschloss ich mich und genau dieses verschlossene Verhalten bekam ich von Menschen gespiegelt. In den Momenten aber, in denen ich mich auf meine neuen Gedanken konzentrierte und mich stolz auf mich fühlte, reagierten die Menschen sehr offen und liebevoll auf mich.

• Ich überlegte mir Konterantworten, die ich im Falle eines doofen Kommentares antworten hätte können wie:           

  • Bitte kommentiere meinen Körper nicht

  • Danke für deine ungefragte Meinung, Körper verändern sich und das ist ok.

  • Gewicht ist nur eine Zahl. Wie wäre es mit einer Unterhaltung über etwas, das wirklich wichtig ist?

  • Gewichtszunahme ist ein natürlicher Prozess, genauso wie das ignorieren von unerwünschten Kommentaren

  (tatsächlich brauchte ich eine Konterantwort, nachdem ich sie aufgeschrieben hatte, nur ein einziges Mal)

• Ich hatte immer einen Mutmach Zettel in meiner Tasche, den ich mir in emotional, überwältigenden Momenten durchlas.

            Auf diesem stand:

 Julia, du machst das alles so toll. Du kannst so unglaublich stolz auf dich sein. Du bist so, so besonders und egal wie dein Körper aussieht, du bist wertvoll und hast es verdient dich gut zu behandeln und gut behandelt zu werden. Auch wenn du deinen Körper gerade nicht magst, hat er es verdient, dass du ihn respektierst, denn dank ihm kannst du dich bewegen, fühlen, spüren und leben. Du bist toll!!

Sich mit seinem eigenen Körper und Ängsten auseinanderzusetzen ist nicht immer leicht, aber je mehr du ihn wertschätzt, akzeptierst, respektierst und deine Ängste hinterfragst – auch wenn es gerade irgendetwas gibt, was dir nicht an ihm gefällt – desto mehr Lebensfreude wirst du in deinem Leben spüren und erfahren.

Es ist nicht immer leicht, aber es ist’s so wert.

Alles Liebe

Julia